Mein Großvater Genoch war der Hohepriester von Vishky. In der Synagoge, während der Gebete, kamen ihm alle Ehren zu. Ich war sehr stolz.Der Platz von Genoch in der Synagoge war der ehrenvollste, genau gegenüber des Torahschreines und da wo der Rabbi Gottesdienst hielt. Nach der Synagoge kam er oft zu uns.
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Mein Großvater war ein " blekher" (Blechschmied). Er hatte eine Werkstatt, wo er Geschirr aus weißem Eisen/Metall und viele Utensilien herstellte, aber auch kleine Badewannen für die Kinder. Er reparierte Geschirr.
Einmal im Monat fuhr er in seinem Wagen, gezogen von einem Pferd, für eine Woche in die Dörfer und Bauernhöfe in der Umgebung um seine Produkte zu verkaufen und weitere Aufträge anzunehmen. Er kannte alle ringsum.
Am
Freitag, da war man sicher, kehrte er nach Hause zurück. Jedes
Mal ging ich ihm außerhalb von Vishky entgegen. Sein
Pferd kannte den Weg und ungefähr 300 m vor dem Haus ging mein
Großvater zu Fuß heim.
Am
Freitag, da war man sicher, kehrte er nach Hause zurück. Jedes
Mal ging ich ihm außerhalb von Vishky entgegen. Sein
Pferd kannte den Weg und ungefähr 300 m vor dem Haus ging mein
Großvater zu Fuß heim.Er
wußte, dass ich ihm entgegenkam und unter dem Korb hatte er
immer
Leckereien für mich: Äpfel, Birnen oder Beeren. Ich
stieg auf den Wagen und stolz fuhr ich bis zum Haus des
Großvaters. Er
wußte, dass ich ihm entgegenkam und unter dem Korb hatte er
immer
Leckereien für mich: Äpfel, Birnen oder Beeren. Ich
stieg auf den Wagen und stolz fuhr ich bis zum Haus des
Großvaters.
Das Drama
Aber
mein Großvater erlitt das Schicksal aller Juden von Vishky.
Am
Anfang des Krieges konnten sie Vishky nicht verlassen um nach
Rußland
zu kommen.
Als der Krieg 1945 zu Ende war, traf mein Onkel Moysey aus Gorki ein (jetzt Nijni Novgorod), wo wir mit meiner Mutter den ganzen Krieg über geblieben waren.
Mein Vater( Izrael Dumesh) und mein Onkel( Moysey Dumesh) haben sich in Vishky getroffen und dort haben sie das Schicksal meines Großvaters erfahren.
Izrael Dumesh 1928 Moysey Dumesh 1923 Izrael und Moysey Dumesh. Jurmala. 1948
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Ihnen
waren noch viele Freunde unter den Russen und Letten geblieben und
die haben ihnen erklärt, wie sich das Drama ereignete.
Infolgedessen
war das Schicksal meines Großvaters allen bekannt und sie
waren alle
Augenzeugen in Vishky.
Sie haben den Ort gezeigt, wo er vergraben worden war und mein Onkel hat ihn exhumiert.
Mein Vater und Moysey konnten die Reste meines Großvaters durch seine Unterkleidung, seine Kleidung und Schuhe identifizieren.
Sie haben den Leichnam umgebettet und haben ihn auf dem jüdischen Friedhof von Vishky beigesetzt.
Sie haben ein Steingrab machen lassen.
Die
Seele meines Großvaters Genoch war so in Frieden. Sein Grab
ist
immer noch auf dem jüdischen Friedhof in Vishky. Das
Beisetzungsdatum 1945.
Als mein Vater und Onkel Moysey zurückkehrten, haben sie uns alles erzählt und auf meine Frage was aus unserem Haus geworden ist, sagte er: «es ist nur noch eine Steinmauer übrig“. Dann haben sie gesagt, dass die Synagoge angezündet worden ist im Juli 1941 als die Juden noch am Leben waren."
Die Synagogenstraße (Schulgasse) war zerstört worden, so wie viele Häuser in denen Juden gelebt hatten.
Eine Anmerkung von mir selbst, Christine Usdin:Wo sich unsere Wege gekreuzt haben....von Dorothea Marien
Nach dem
Tod meines
Vaters Kurt Marien im Jahr 2006 haben wir, seine Frau und
Töchter,
seine Kriegstagebücher gefunden.
Mein Vater war Soldat bei der Wehrmacht. Er wurde 1940 eingezogen und
war ab 1941 als Funker / Gefreiter in der Nachrichtenabteilung 2 NA 3
des Kraftradbataillions 53 der 3. Infanteriedivision mot. der 6. Armee
/ Heeresgruppe Nord – das Bataillon startete am 22.6.1941 mit
dem
Angriff auf die Sowiet Union in Frankfurt / Oder auf ihrem Weg durch
Ostpreußen, Litauen, Lettland in Richtung Leningrad.
Meine Mutter und ich haben uns die Kriegstagebücher
angeschaut, in die mein Vater jeden Tag die Ereignisse mit notiert hat.
Dabei sind wir plötzlich auf einen Eintrag gestoßen:
Judendorf Visky / Wischky
30.6.1941
Am Gerät.
Ankunft in Visky 02.00
Uhr
Juden zuammengetrommelt.
Mit M.P.
dazwischengeschossen.
Toller (=irrer) Anblick.
12 Eier pro Nase
empfangen. Splitterschutzgräben gebaut. Wäsche
gewaschen.
Nachtdienst am
Gerät. Läden ausgeräumt.
Mein Vater war also mit seiner Kompanie beteiligt, mitten in der Nacht
die jüdische Bevölkerung aus den Betten und aus den
Häusern zu treiben.
Sie wurden zusammengetrieben, um alle ermordet zu werden. (Es lebten zu
der Zeit etwa 450 jüdische Menschen in Vishky, über
50% der
Dorfbevölkerung von insgesamt 750 Menschen).
Um die Menschen zusammenzutreiben und zu zwingen sich zu sammeln,
schoss die Kompanie meines Vaters in die Menschengruppe.
Als die Juden gezwungen wurden sich zu sammeln (zusammengetrommelt
wurden) um in den Tod zu gehen, weigerte sich Genoch Dumesh, ein alter
ehrwüdiger Mann, ein jüdischer Geistlicher, sich der Gruppe
anzuschließen. Er wurde sofort an Ort und Stelle
abgeschlachtet / niedergeschossen.
Laizer Dumesh, sein Enkelsohn erzählte:
"Alle kannten Genoch
Dumesh und nicht nur die Juden.
Er war Blechschmied
gewesen und sein
Geschirr, Werke seiner Hände, standen in zahlreichen
Haushalten
und in seinen Badewannen hatten mehrere Generationen von Kindern in
Vishky und Umgebung gebadet.
Infolgedessen war sein
Schicksal allen bekannt und sie waren alle Augenzeugen in Vishky."
Auch mein Vater war
dabei, Mittäter und Augenzeuge. Er hat nie darüber
gesprochen.
Danach bekamen die deutschen Soldaten „zur
Belohnung“ pro Person 12 Eier.
Das geschah immer, wenn Schreckliches von den Soldaten verlangt wurde
– dann bekamen sie Belohnungen.
Es darf auch nicht vergessen werden, dass sowohl die lettische als auch
die litauische (und ukrainische) Bevölkerung den deutschen
Besatzern half, die Juden abzuschlachten, oft waren sie die
Todeskommandos, Sie bedankten sich bei den deutschen Soldaten und
Einsatzgruppen für die Vernichtung der Juden durch Geschenke
und
eigneten sich, wie auch die deutschen Soldaten den Besitz (siehe:
Läden ausgeräumt) und die Häuser der Juden
an.
Die Juden von Vishky wurden einige Tage später mit den Juden
der
umliegenden Schtetl nach Dünaburg in ein Ghetto an der Duna
getrieben.
Dort wurden alle (über 15000 Menschen) im Wald von Pagulanka bei Dünaburg ermordet.
Es ist schrecklich, was mein Vater zusammen mit anderen Deutschen
Genoch Dumesh und den vielen Tausenden, Millionen unschuldigen Menschen
angetan hat.
Ich kann nur um Vergebung bitten.
Die Söhne von Genoch Dumesh erfuhren nach dem Krieg von den
grausamen Ereignisse.
9 Juli 2010.
Das Lied "Es brennt" wurde 1943 von Emma Shaver interpretiert.