Das tragische Schicksal des Genoch Dumesh( 1860- 1941) in Vishky
im Jahr 1941
Nach den Erinnerungen seines Enkels Leizer Dumesh
und den
Kriegstagebücher von Kurt Marien
Übersetzung: Dorothea Marien


Genoch Dumesh
von links nach rechts: Hana geb. Bleimann, Israel Dumes, Enkelin von Genoch, Genoch Dumes - 1920

Wenn mein Vater in die Synagoge ging, hat er mich fast immer mitgenommen. Dort habe ich immer meinen Großvater Genoch, den Vater meines Vaters getroffen.

Synagoge in Vishki                        
                 Die Synagoge in Vishki(vor dem Zweiten Weltkrieg)                                                           Die Ruinen der Synagoge (2008)             

Mein Großvater Genoch war der Hohepriester von Vishky. In der Synagoge, während der Gebete, kamen ihm alle Ehren zu. Ich war sehr stolz.Der Platz von Genoch in der Synagoge war der ehrenvollste, genau gegenüber des Torahschreines und da wo der Rabbi Gottesdienst hielt. Nach der Synagoge kam er oft zu uns.

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Mein Großvater war ein " blekher" (Blechschmied). Er hatte eine Werkstatt, wo er Geschirr aus weißem Eisen/Metall und viele Utensilien herstellte, aber auch kleine Badewannen für die Kinder. Er reparierte Geschirr.

Einmal im Monat fuhr er in seinem Wagen, gezogen von einem Pferd, für eine Woche in die Dörfer und Bauernhöfe in der Umgebung um seine Produkte zu verkaufen und weitere Aufträge anzunehmen. Er kannte alle ringsum.

Am Freitag, da war man sicher, kehrte er nach Hause zurück. Jedes Mal ging ich ihm außerhalb von Vishky entgegen. Sein Pferd kannte den Weg und ungefähr 300 m vor dem Haus ging mein Großvater zu Fuß heim.
Am Freitag, da war man sicher, kehrte er nach Hause zurück. Jedes Mal ging ich ihm außerhalb von Vishky entgegen. Sein Pferd kannte den Weg und ungefähr 300 m vor dem Haus ging mein Großvater zu Fuß heim.Er wußte, dass ich ihm entgegenkam und unter dem Korb hatte er immer Leckereien für mich: Äpfel, Birnen oder Beeren. Ich stieg auf den Wagen und stolz fuhr ich bis zum Haus des Großvaters. Er wußte, dass ich ihm entgegenkam und unter dem Korb hatte er immer Leckereien für mich: Äpfel, Birnen oder Beeren. Ich stieg auf den Wagen und stolz fuhr ich bis zum Haus des Großvaters.

Das Drama


Aber mein Großvater erlitt das Schicksal aller Juden von Vishky. Am Anfang des Krieges konnten sie Vishky nicht verlassen um nach Rußland zu kommen.

Als der Krieg 1945 zu Ende war, traf mein Onkel Moysey aus Gorki ein (jetzt Nijni Novgorod), wo wir mit meiner Mutter den ganzen Krieg über geblieben waren.

Mein Vater( Izrael Dumesh) und mein Onkel( Moysey Dumesh) haben sich in Vishky getroffen und dort haben sie das Schicksal meines Großvaters erfahren.

Izrael Dumesh. 1928       Moysey Dumesh. 1923          Izrael und Mysey Dumesh 1948. Jurmala

       Izrael Dumesh 1928                                     Moysey Dumesh 1923                                     Izrael und Moysey Dumesh. Jurmala. 1948

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Ihnen waren noch viele Freunde unter den Russen und Letten geblieben und die haben ihnen erklärt, wie sich das Drama ereignete.
Infolgedessen war das Schicksal meines Großvaters allen bekannt und sie waren alle Augenzeugen in Vishky.

Sie haben den Ort gezeigt, wo er vergraben worden war und mein Onkel hat ihn exhumiert.

Mein Vater und Moysey konnten die Reste meines Großvaters durch seine Unterkleidung, seine Kleidung und Schuhe identifizieren.

Sie haben den Leichnam umgebettet und haben ihn auf dem jüdischen Friedhof von Vishky beigesetzt.

Sie haben ein Steingrab machen lassen.



Die Seele meines Großvaters Genoch war so in Frieden. Sein Grab ist immer noch auf dem jüdischen Friedhof in Vishky.
Das Beisetzungsdatum 1945.

Genoch Dumesh grab                
                                                                        Genoch Dumesh  grab. Vishki (2008)

Als mein Vater und Onkel Moysey zurückkehrten, haben sie uns alles erzählt und auf meine Frage was aus unserem Haus geworden ist, sagte er: «es ist nur noch eine Steinmauer übrig“. Dann haben sie gesagt, dass die Synagoge angezündet worden ist im Juli 1941 als die Juden noch am Leben waren."

Die Synagogenstraße (Schulgasse) war zerstört worden, so wie viele Häuser in denen Juden gelebt hatten.

Eine Anmerkung von mir selbst, Christine Usdin:
Die lettische (als Litauische) Bevölkerung trägt größere Schuld als die deutschen Soldaten, einfach weil sie die Wahl hatten.

Vishki/ Dagda memorial

Wo sich unsere Wege gekreuzt haben....von Dorothea Marien

Nach dem Tod meines Vaters Kurt Marien im Jahr 2006 haben wir, seine Frau und Töchter, seine Kriegstagebücher gefunden.
Mein Vater war Soldat bei der Wehrmacht. Er wurde 1940 eingezogen und war ab 1941 als Funker / Gefreiter in der Nachrichtenabteilung 2 NA 3 des Kraftradbataillions 53 der 3. Infanteriedivision mot. der 6. Armee / Heeresgruppe Nord – das Bataillon startete am 22.6.1941 mit dem Angriff auf die Sowiet Union in Frankfurt / Oder auf ihrem Weg durch Ostpreußen, Litauen, Lettland in Richtung Leningrad.

Meine Mutter und ich haben uns die Kriegstagebücher angeschaut, in die mein Vater jeden Tag die Ereignisse mit notiert hat.
Dabei sind wir plötzlich auf einen Eintrag gestoßen:

Judendorf Visky / Wischky
30.6.1941
Am Gerät.
Ankunft in Visky 02.00 Uhr
Juden zuammengetrommelt.
Mit M.P. dazwischengeschossen.
Toller (=irrer) Anblick.
12 Eier pro Nase empfangen. Splitterschutzgräben gebaut. Wäsche gewaschen.
Nachtdienst am Gerät. Läden ausgeräumt.

Mein Vater war also mit seiner Kompanie beteiligt, mitten in der Nacht die jüdische Bevölkerung aus den Betten und aus den Häusern zu treiben.
Sie wurden zusammengetrieben, um alle ermordet zu werden. (Es lebten zu der Zeit etwa 450 jüdische Menschen in Vishky, über 50% der Dorfbevölkerung von insgesamt 750 Menschen).
Um die Menschen zusammenzutreiben und zu zwingen sich zu sammeln, schoss die Kompanie meines Vaters in die Menschengruppe.
Als die Juden gezwungen wurden sich zu sammeln (zusammengetrommelt wurden) um in den Tod zu gehen, weigerte sich Genoch Dumesh, ein alter ehrwüdiger Mann, ein jüdischer Geistlicher, sich der Gruppe anzuschließen. Er wurde sofort an Ort und Stelle abgeschlachtet / niedergeschossen.

Laizer Dumesh, sein Enkelsohn erzählte:
"Alle kannten Genoch Dumesh und nicht nur die Juden.
Er war Blechschmied gewesen und sein Geschirr, Werke seiner Hände, standen in zahlreichen Haushalten und in seinen Badewannen hatten mehrere Generationen von Kindern in Vishky und Umgebung gebadet.
Infolgedessen war sein Schicksal allen bekannt und sie waren alle Augenzeugen in Vishky."
Auch mein Vater war dabei, Mittäter und Augenzeuge. Er hat nie darüber gesprochen.

Danach bekamen die deutschen Soldaten „zur Belohnung“ pro Person 12 Eier.
Das geschah immer, wenn Schreckliches von den Soldaten verlangt wurde – dann bekamen sie Belohnungen.
Es darf auch nicht vergessen werden, dass sowohl die lettische als auch die litauische (und ukrainische) Bevölkerung den deutschen Besatzern half, die Juden abzuschlachten, oft waren sie die Todeskommandos, Sie bedankten sich bei den deutschen Soldaten und Einsatzgruppen für die Vernichtung der Juden durch Geschenke und eigneten sich, wie auch die deutschen Soldaten den Besitz (siehe: Läden ausgeräumt) und die Häuser der Juden an.

Die Juden von Vishky wurden einige Tage später mit den Juden der umliegenden Schtetl nach Dünaburg in ein Ghetto an der Duna getrieben. 

     

Zusammengetriebene Juden kurz vor ihrer Auslöschung im c 1942, als sie aus dem Ghetto Dvinsk (damals Dünaburg) getrieben wurden.

                               

Jüdische Kinder und Frauen von Dvinsk, von den Deutschen missbraucht und gezwungen, im kalen Fluß zu baden.  1941-1942

Dort wurden alle (über 15000 Menschen) im Wald von Pagulanka bei Dünaburg ermordet.

                               
Mahnmal für die Opfer des Holocaust im Wald von Pogulanka

Es ist schrecklich, was mein Vater zusammen mit anderen Deutschen
Genoch Dumesh und den vielen Tausenden, Millionen unschuldigen Menschen angetan hat.
Ich kann nur um Vergebung bitten.

Die Söhne von Genoch Dumesh erfuhren nach dem Krieg von den grausamen Ereignisse.

9 Juli 2010.

Das Lied "Es brennt" wurde 1943 von Emma Shaver interpretiert.

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